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Der diffamierte Exilant

Es war ein schwerer Gang am 27. Juni 1954, doch der Präsident glaubte, das Richtige zu tun: Auf keinen Fall durfte zerbombt werden, was so schwungvoll aufgebaut worden war. Er dankte ab und verließ das Land (wobei ihn seine Gegner auf dem Flugfeld noch einer demütigenden Leibesvisitation unterzogen). Leider hatte sich der vierzigjährige Asylsuchende aber geirrt: Nichts war durch seinen Rücktritt gerettet – die Bürgerrechte wurden außer Kraft gesetzt, die Reformen beseitigt. United Fruit triumphierte.

Zur Welt gekommen war der Apothekersohn 1913 im Südwesten Guatemalas. Sein Vater, mit sechzehn Jahren aus der Schweiz emigriert, hatte dort eine Guatemaltekin geheiratet und eine Familie gegründet, der es gut ging, bis er, morphinsüchtig, alle Habe verlor. Dem gescheiten Sohn blieb, um sich den Wunsch nach einem Ingenieursdiplom zu erfüllen, nur die (kostenlose) militärische Laufbahn. So wurde er Offizier und Dozent an der Militärakademie – und 1944 ein Anführer der guatemaltekischen Oktoberrevolution, die der Junta des korrupten Diktators Jorge Ubico ein Ende setzte. Sechs Jahre hatte er danach als Minister Zeit, für das sozial zerrissene und wirtschaftlich desolate Land demokratische Reformen mit auf den Weg zu bringen. Als er jedoch, 1950 zum Präsidenten gewählt, das heikelste Projekt anging und den ungenutzten Boden der Großgrundbesitzer umverteilte, schritten die USA ein.

Im Verbund mit der United Fruit Company, der größten Landeignerin und Arbeitgeberin Guatemalas – das US-Unternehmen dominierte nicht nur den Früchtehandel, sondern betrieb auch den einzigen Hafen und die Eisenbahn –, startete die CIA eine bis dahin beispiellose Kampagne, um den vermeintlichen «Kommunisten» loszuwerden. Die Bevölkerung wurde mit Falschmeldungen überflutet und terrorisiert: Medien berichteten von einer breiten Aufstandsfront gegen die Regierung und bereits errungenen Siegen (was Radiosender mit simuliertem Gefechtslärm orchestrierten), während US-Flugzeuge reale Bomben abwarfen, nicht unbedingt, um zu treffen, sondern um möglichst viel Chaos anzurichten. Bis das eigene Militär den Präsidenten im Juni 1954 zum Rücktritt drängte. Sechzehn Jahre zog er danach von Land zu Land, dann nahm ihn Mexiko auf, wo er 1971 starb.

Wer war der diffamierte Demokrat, der auf ein Einbürgerungsgesuch in der Schweiz verzichtete, weil ihn das seinen guatemaltekischen Pass gekostet hätte, und der erst 2011 rehabilitiert wurde?

© Brigitte Matern, erschienen in WOZ Nr. 14 am 4. April 2019

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